Nikolskoje-Viasemskoje ist der Tolstoi-Stammsitz. Es liegt südlich von Jasnaja Poljana, am Fluss Tschern und grenzt an das Gebiet Orjol. Der Volksmund sagt, dass im Fluss eine Ikone Nikolaus des Wundertäters einst gefunden wurde. Seitdem wird auch das Dorf „Nikolskoje“ genannt. Mit der Zeit kam noch das Prädikat „Viasemskoje“ hinzu, weil sein erster Besitzer der Fürst namens Viasemski war. Seit 1747 gehörte das Dorf Nikolskoje Tolstois Urgroßvater, dem ausgedienten Major, dem Fürsten Nikolaus Gortschakov. Als seine älteste Tochter Pelagia den Grafen Elias Tolstoi heiratete, ging auch das Landgut Nikolskoje-Viasemskoje als Mitgift an seinen neuen Besitzer.
Im Jahre 1820, nach dem Tod von Elias Tolstoi, wurde das Landgut wegen Verschuldung vom Mündelrat übernommen. Aber im Jahr 1824 wurde es von Leo Tolstois Vater zurückgekauft. Nikolaus Tolstoi brachte das Landgut in die beste Ordnung. Er hielt sein Gelöbnis aus dem Napoleon-Krieg 1812 und baute hier eine Mariä Entschlafenskirche. Im Jahr 1847, nach seinem Tod, erfolgte eine Vermögensteilung zwischen den Tolstoi-Geschwistern. So erbte das Landgut zu Nikolskoje-Viasemskoje, sowie das sogenannte „Plötzendorf“, mit 317 Leibeigenen und 920 Ackerhektar Leo Tolstois ältester Bruder, der ebenfalls Nikolaus hieß. Nachdem er einen Philosophie-Abschluss an der Kasaner Universität absolviert hatte, betrat er die militärische Bahn. Ab 1846 befand er sich als Fähnrich im Kaukasus. Im Jahr 1858 quittierte Nikolaus Tolstoi seinen Militärdienst und siedelte sich in einem anspruchslosen Blockhaus zu Nikolskoje-Viasemskoje an. Oft waren bei ihm die zukünftig berühmten Schriftsteller Iwan Turgenjev und Afanassi Fet als seine Vertrauten zu Besuch.
Nach seinem Ableben im Jahr 1860 übernahm sein jüngster Bruder Leo Tolstoi seinen Besitz von Nikolskoje-Viasemskoje. Er züchtete hier Rind, Schafe und Bienen. Darüber hinaus pflegte er hier eine Baumschule für seinen Obstgarten und Birkenwaldanpflanzungen. Da in Nikolskoje von jeher sehr viel Wild vorkam, ging hier Leo Tolstoi oft auf Jagd. Eine geniale Jagdbeschreibung entsteht in seinem Roman „Krieg und Frieden“, wobei die leidenschaftlichen Jäger aus dem Elternhaus von Natalie Rostov einen Ausflug ins Dorf Otradnoje unternehmen, das dem Nikolskoje-Viasemskoje unverkennbar nahekommt. Tolstois älterer Sohn Sergius erinnerte sich daran später wie folgt: „Seit meiner Kindheit machte Nikolskoje immer einen starken Eindruck auf mich, seien es sein dichter Laubwald, tiefe Schluchten, hundertjährige Pappeln und eine majestätische Kiefer im Obstgarten, sowie das Flüsschen Tschern, das sich bis zum Horizont windet und zwischen den Bäumen schimmert; rauschende Wassermühle, weite Flussaussichten, waldbedeckte Abhänge, lichtvolle Wiesen, entfernte Dörfer und Kirchen, riesige Rollsteine zum Landgutsgipfel, das kam mir alles so spannend und unwahrscheinlich schön vor; weil es wirklich sehr schön war.“
Da am 7. Juli 1892 Leo Tolstoi sein Gesamtvermögen aufgab, ging Nikolskoje-Viasemskoje in Besitz seines Sohnes Sergius, der eine Position im Landgericht Tschern bekleidete. Aus dem benachbarten Alexander-Bauernhof ließ er ein Bauernhaus hierher verlegen, auf dessen hohem Fundament später sein eigenes Herrenhaus eingerichtet wurde. An seinem Stammsitz lebte Sergius Tolstoi selbstherrlich bis zur russischen Oktoberrevolution, wobei sein Landgut im Sommer 1918 genauso wie alle anderen Adelsgüter in Russland in Brand gesteckt wurde. So blieb auch Sergius Tolstoi nichts Anderes übrig, als sein Landgut zu verlassen und nach Moskau zu flüchten.
In Nikolskoje kehrte somit die „Zeit des Vergessens“ ein, die bis zum Jahr 1983 andauerte, als es von der Tulaer Maschinenfabrik übernommen wurde, die hier vier Jahre später ein erneuertes Dichterhaus einweihte. Teilweise wurden hier die Mariä Entschlafenskirche, sowie der Tolstoi-Tennisplatz erneuert und dazu noch ein Hotel gebaut.
Im Jahre 2000 wurde die Museumsstätte zu Nikolskoje-Vjasemskoje als Filiale von Jasnaja Poljana übernommen. In Zukunft kommt hier ein Museumsbetrieb unter, der auf die Ermittlung des Tolstoi-Beitrags zur russischen Nationalgeschichte abgesehen ist.